Blick in die Vergangenheit
Jeder aus dem Irak oder aus Syrien kennt das: Kurz nach Sonnenuntergang sind alle Kinder draußen und machen, was sie wollen. Sie waren vorher duschen und essen jetzt Süßigkeiten, spielen auf Spielplätzen oder Fußball. Und solche Momente vermisst man hier sehr. Oder auch mit der Familie zusammen zu sitzen. Es würde mir schon reichen, jetzt 10 Minuten mit meiner Oma zusammen sein zu können, bevor es zu spät ist.
Wir sind hier am Lifehouse im Zentrum von Stemwede. Dort, wo das Jugendzentrum ist, wo sich also die Jugendlichen in ihrer Freizeit oder nach der Schule treffen. Und genau hier ist auch die Bergschule, wo ich mein Fachabi im Bereich Gesundheit mache, so dass ich danach noch ein Jahr drauflege, mein Abi mache und dann Medizin studieren kann. Also wenn alles so läuft, wie ich das möchte.
Als ich mit 14 hier in diese Schule kam, war mein Klassenlehrer genauso groß wie ich. Er ist sehr klein, ich schätze mal so 1,56 m. Damals wusste ich noch nicht, dass er unser Klassenlehrer ist. Und wir kamen von der Schule auf diesen Platz hier, die ganze Klasse. Dann haben sich alle vorgestellt. Er stand vor mir und ich meinte zu ihm: »Ey, mach mal Platz!« Ich wusste einfach nicht, dass das mein Klassenlehrer ist, weil er so klein war und er hatte auch keinen Bart. Dann hat mein Kumpel irgendwann geflüstert: »Das ist unser Lehrer.« Ich gucke ihn so an: »Nein!! Hast du nicht gesagt?« Das war schon ein bisschen respektlos und mein Lehrer hat dann auch die ganze erste Schulstunde nicht mit mir gesprochen. Aber aber am Ende habe ich mich bei ihm entschuldigt und seitdem ist es okay.
Blick in die Zukunft
Das war am Anfang, als ich diese ganzen Erfahrungen mit Rassismus gemacht habe und mich fragte: »Warum tue ich mir das an? Warum lasse ich mich jetzt von anderen Leuten fertig machen?«. Natürlich hat mich das traurig gemacht; und zwar sehr krass…»Was machst du hier? Geh mal wieder in dein Land zurück!«. Das tut im Herzen weh, weil ich mein Land nicht verlassen habe, weil ich es wollte oder mein Land nicht mehr mag, sondern weil wir in Deutschland eine Zukunft haben und im Irak nicht. Ich bin zum Lernen hergekommen, zum Studieren. Im Irak war es nicht 100 Prozent sicher, dass ich noch zehn Jahre leben kann. Also das war früher zumindest nicht so...
Egal, was ich meinen Eltern zurückgebe, das wird nie genug sein. Ich kann meinem Vater wirklich nicht das geben, was er mir alles gegeben hat in diesen 18 Jahren. Wenn ich viel Geld habe, werde ich ein richtig schönes Haus für meinen Vater und meine Mutter bauen und dadurch versuchen, 1 oder 2 % von dem zurückzugeben, was sie mir alles in diesen Jahren gegeben haben. Das ist das Erste, was ich machen möchte, wenn ich einen Job habe und merke, ich kann einen Kredit aufnehmen: Ein schönes Haus für meine Eltern bauen!
Persönliche Facts