Freundschaft

Bernsteinkette

Bernsteinkette

Wenige Monate nach meiner Erstkommunion starb Tante Rosa. Wir hatten noch so schön gefeiert, Tante Rosa im dunkelblauen Kleid mit weißem Spitzenkragen, meine Mutter hochelegant in einem grünen Seidenkostüm, mein Vater im dunklen Anzug und ich im weißen Kommunionskleid! Ich war so aufgeregt über die Kirche, die Feier, die Geschenke, dass ich das kleine Päckchen mit cremefarbener Schleife erst Tage später aufmachte, es war ein Geschenk von Tante Rosa, die damals schon schwer krank war: eine Bernsteinkette! Meine Begeisterung für dieses Schmuckstück war nicht sehr groß, doch viele Jahre später erzählte meine Mutter mir die Geschichte jener Bernsteinkette. Unsere Tante Rosa war keineswegs verwandt mit uns, vielmehr die beste Freundin meiner Mutter. Beide hatte der Krieg unter den schwierigsten Umständen zusammengeschweißt, ihre Freundschaft sollte ein Leben lang halten. Tante Rosa, unverheiratet, war für uns Familienmitglied und Großelternersatz, wir unternahmen Reisen, feierten Weihnachten und viele Feste zusammen. Jene Bernsteinkette war das kostbare Geschenk von Tante Rosas Verlobtem, der aus dem Krieg nicht wieder nach Hause gekommen war, sie wurde von ihr nur zu besonderen Anlässen aus der alten Schmuckschatulle hervorgeholt. Ein unendlich wertvolles Erinnerungsstück, das vermutlich meine Mutter erben sollte. Warum ich sie nun grade zur Erstkommunion bekommen habe, erklärte meine Mutter mir sehr viel später: Mit dieser Kette war Liebe, Leid und eine ganz besondere Freundschaft verbunden. Und solch eine Freundschaft wünschte sich Tante Rosa auch für mich. Die Erstkommunion war das letzte Fest, das wir gemeinsam mit ihr feiern konnten.

Weiterlesen

Kim und ihr Kuschelhund
Regenbogentuch