Respekt

Ein Quilt zu Demenz

Ein Quilt zu Demenz

Schon seit vielen langen Jahren klagte meine Mutter über eine nachlassende
Gedächtnisleistung. Mit 83 Jahren war ihr Kurzzeitgedächtnis praktisch ausgefallen. Länger zurückliegende Erinnerungen kamen manchmal wieder hoch, fielen aber oft aus dem Zusammenhang. An noch weiter Zurückliegendes erinnerte sie sich zwar noch teilweise, aber es war kein Verlass mehr darauf.
Längst verstorbene Personen lebten ihrer Ansicht nach noch oder wurden mit
anderen verwechselt. Die Gegenwart nahm sie in engen Ausschnitten für kurze Zeit wahr, Zukünftiges wurde nicht mehr in Betracht gezogen.
In ihren letzten Lebensjahren beschäftigte mich die Krankheit meiner Mutter in zunehmendem Maße. Sie wurde Bestandteil unseres Familienalltags, und ich musste mich auf ihr sogenanntes demenzielles Syndrom einlassen.
In dieser Situation begann ich, mich damit künstlerisch auseinanderzusetzen.
Innerhalb von drei Wochen entstand meine textile Interpretation, eine Mixed-Media-Arbeit mit dem Titel „Demenz“. 2008 ergab sich die Gelegenheit,
das Stück in einer Ausstellung in der Schweiz unter dem Motto „gestern – heute – morgen“ zu zeigen.
Mein Mann und ich reisten nach Solothurn und wurden am Eröffnungstag von
vielen Besuchern, nachdem sie den Rundgang durch die Ausstellung gemacht hatten, ins Gespräch gezogen. Es stellte sich heraus, dass meine Arbeit, die sich als Einzige mit dem Thema Demenz beschäftigte, zu den Besuchern sprach.
Sie konnten sie lesen und sie brachte sie selbst zum Sprechen. Praktisch jeder
Gesprächspartner hatte eine von dieser schrecklichen Krankheit betroffene
Person in der Familie oder im Bekanntenkreis.
Eine Geschichte über Respekt Mixed Media Quilt „Demenz“

Es bestand sichtbar ein Bedürfnis, sich über ein Tabu-Thema auszutauschen,
und man war einhellig der Meinung, dass eine künstlerische Auseinandersetzung
gut war. Sie brachte das Thema Demenz auf eine andere Ebene, in eine andere Distanz zur alltäglichen Situation, die sehr freundlich, höflich und respektvoll verlaufende Konversationen zur Folge hatte. Wir konnten uns einem gesellschaftlichen Problem sachlich stellen, den Erkrankten wie Pflegenden achtungsvoll gegenübertreten. Eine wohltuende Erfahrung, die sich auch nach dieser Ausstellung und nach dem Tod meiner Mutter noch über Jahre fortsetzte.

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Mein Vater sagte mir …
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