1981 startete ich mein Berufsleben als frisch gebackene Ingenieurin in einem Kleinmöbelbetrieb in Karl-Marx-Stadt auf dem Sonnenberg. Der Betriebsdirektor war zu diesem Zeitpunkt der ehemalige Besitzer der Firma und durfte diese nach der Verstaatlichung weiterleiten. Entsprechend positiv hob sich das Betriebsklima von anderen Betrieben ab. 1984 verstarb er jedoch plötzlich. Neuer Betriebsdirektor wurde nicht ein erfahrenes und aus dem Fach kommendes Mitglied der höchsten Leitungsebene, sondern eine von der Partei eingesetzte branchenfremde Person. Der Tod des alten Direktors bot die Gelegenheit, den Betrieb auf Parteikurs zu bringen! 1990 herrschte Aufbruchstimmung. Bis dahin wurden die Möbel fast ausschließlich für den Export gefertigt. In der DDR nicht beschaffbare Beschläge und Bauteile wurden von den Auftraggebern (z. Bsp. IKEA) bereitgestellt. Im Sommer 1990, kurz vor der Währungsunion, durfte ich zusammen mit einem Kollegen nach Nordrhein-Westfalen fahren. Ein von dort stammender Betriebsberater hatte unserem Betrieb seine Hilfe angeboten und vermittelte uns Geschäftskontakte für den Materialeinkauf - wir hatten neue Möbel entwickelt (zusammen mit einer auf Burg Giebichenstein ausgebildeten jungen Designerin). Die erste Serie wurde noch im gleichen Herbst produziert. Verkaufen mussten wir diese Möbel dann jedoch auf dem Chemnitzer Brühl, auf dem in der Wendezeit täglich und bei jedem Wetter ein riesiger Markt im Freien stattfand. Unser Betrieb war inzwischen an einen Büromöbelhersteller aus Worms verkauft worden, der noch kurze Zeit einige seiner Büromöbel in Chemnitz produzieren ließ, ansonsten den Großteil der Belegschaft entließ und die wenigen Mitarbeiter, die bleiben durften, versuchte, für den Vertrieb seiner Büromöbel einzusetzen. Nach wenigen Jahren wurde der Chemnitzer Betrieb ganz geschlossen. 2001 benötigte ich für meine Kontenklärung bei der Rentenversicherung noch Angaben zu diesem Möbelbetrieb, in dem ich bis Ende 1990 beschäftigt und danach entlassen worden war. Ich staunte nicht schlecht, dass ich erstens für diese Kontenklärung in ein Büro meines ehemaligen Betriebes geschickt wurde und zweitens dort auf die letzten beiden verbliebenen Mitarbeiter gestoßen bin – der 1984 von der Partei eingesetzte Direktor und seine Sekretärin! Seitdem frage ich mich, welche Netzwerke wohl zwischen der Treuhand und ehemaligen Parteigenossen damals geknüpft worden sind?