Der Krieg hatte viel zerstört. Es wurde gehamstert, die Preise stiegen ins Untragbare, die Leute tauschten ihr Hab und Gut auf der Straße gegen Nahrung. Es war eine arme Zeit. Arm an Geld, doch nicht arm an Zusammenhalt. Alle waren gleich schlecht dran. Alle mussten ihre Häuser und ihr Leben wieder aufbauen. Auch wir reparierten unser altes Haus in West-Berlin notdürftig. Wir hatten zu Kriegszeiten im Harz gelebt. Als wir zurückkamen, sah alles anders aus. Wir lebten plötzlich im Umbruch, im Aufbau. Und trotzdem fühlte ich mich zu Hause. Die Berliner Akustik, die Berliner Luft. Das war schön. Als ich älter wurde, konnte ich Berlin selbst erkunden. Mit der S-Bahn, mit dem Fahrrad. Kreuz und quer fuhr ich beinahe täglich durch Berlin. Teilweise war ich fast zwei Stunden mit dem Rad unterwegs. Damals fuhr man nicht in den Urlaub, man hatte nicht viel Geld. Ich habe bei meinen Eltern gewohnt. Die Wohnkosten lagen bei 50 bis 100 D-Mark. Mit einem Verdienst von nur 170 D-Mark im Monat war das undenkbar. Deswegen verbrachte ich meine Zeit bestmöglich in der Berliner Umgebung. Doch die Freizeit stand selten an erster Stelle. Damals arbeitete ich 48 Stunden in der Woche. Unter der Woche bis 19 Uhr, samstags bis 14 Uhr. Im Jahr hatten wir nur zwei Wochen Urlaub. Da war nicht viel Platz für Freizeitaktivitäten. Falls sich doch mal Zeit fand, ging ich gerne tanzen oder schwimmen. Sowohl im Osten als auch im Westen. Das war schön, das gab mir ein Gefühl von Freiheit. Auch Geburtstage wurden damals nicht groß gefeiert. Wer kam, war gern gesehen. Zum Kaffee und Kuchen. Das waren keine großen Feiern, aber der kleine Kreis war dabei. Auch das war schön. Für mich war das Leben positiv. Ich kannte das alles nicht anders. Und das Leben ist so, wie man es sieht. Man kann es auch negativ sehen und jammern – aber wozu? Jeder lebt sein Leben, wie er es leben möchte. In Berlin fühlte ich mich wohl, das war meine Heimat. Ich war dort zu Hause. Und ich konnte mit jedem quatschen. Egal, ob im Geschäft, im Bus oder in der Bahn. Ich bin auch heute noch so und rede mit allen. Für viele ist das mittlerweile unüblich. Ich vermisse diese Offenheit, diese Herzlichkeit. Damals hatte niemand viel, alle waren irgendwie gleich arm dran. Und doch machte man das Beste daraus. Mein Berlin war ehrlich, mein Berlin war echt. Und ich finde es schade, dass es das nicht mehr gibt.