Noch vor dem Bau des Theaters am Klieversberg spielte sich das Wolfsburger Theaterleben in Provisorien ab. So besuchte ich als Schüler im damaligen Imperial Kino vor fast auf den Tag genau 50 Jahren eine Theateraufführung des Schauspiels „Nathan der Weise“ von Lessing mit Attila Hörbiger in der Hauptrolle, einem der ganz großen deutschsprachigen Schauspieler des 20. Jahrhunderts. Die an Nathan in diesem Schauspiel gestellte Frage, welche der drei großen Religionen die eigentlich wahre sei, beantwortete dieser bekanntlich mit der berühmten Ringparabel. Die darin gegebene Antwort weist nicht auf die Überlegenheit einer Religion gegenüber anderen hin, auch nicht auf den jeweiligen Religionsinhalt oder dogmatische Glaubenssätze. Entscheidend seien vielmehr gegenseitige Hochachtung, Toleranz und Verständnis als Grundlage menschlichen Zusammenlebens, und wohltätige Gesinnung. Diese kluge Dichtung von Gotthold Ephraim Lessing, dargeboten durch einen so großartigen Schauspieler, diese einzigartige Erklärung des Begriffs ‚Toleranz‘, haben mich damals sehr beeindruckt. In dieser Ausstellung befindet sich ein Album mit Erinnerungsstücken von dieser Aufführung, die am 14. Oktober 1968 stattfand. Auch die Besprechungen hiervon in den beiden Wolfsburger Tageszeitungen hatte ich aufgehoben. „Tolerare“ im Lateinischen bedeutet ja so viel wie „erdulden, ertragen“. Toleranz als „Duldsamkeit“ übersetzt, klingt ein bisschen weniger strahlend. Wer etwas toleriert, erduldet ja im Grunde, was nicht der eigenen Ansicht oder Lebensweise entspricht. Toleranz ist damit eine Geisteshaltung, die die Verschiedenheit von Menschen, die Pluralität von Meinungen und das Recht, eine eigene Meinung zu haben, auch eine Religion zu praktizieren, reflektiert und ihr Achtung gebietet. Sie führt nicht zwingend zu einer konfliktfreieren, aber sicher zu einer gewaltfreieren Gesellschaft, zu einer besseren Welt. Toleranz zählt zu den unabdingbaren Werten menschlichen Zusammenlebens. Das sollte immer wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt und vor allem auch der jungen Generation nachhaltig vermittelt werden.