Kreativität

Terra Incognita

Terra Incognita

Ich jogge eine Runde zu meinem zweitliebsten Park, hinter einem abgesperrten Spielplatz mache ich fix noch ein paar Übungen an einer abgelegenen Stelle – ich möchte sie fast als Lichtung bezeichnen – und laufe dann schlendernd in der Nachmittagswärme zurück durch den Park zu einem liebgewonnenen Platz unter der kahlen, kargen Eiche. Dort, wo der Stamm in die Wurzeln übergeht, setze ich mich auf mein Fleece mit der Absicht, hier ein wenig zu meditieren. Schuhe aus. Gerade habe ich mich zurecht gefunden, wird die Anfangsruhe zerstört. “Achtung, Achtung! Hier spricht die Polizei!” Es gilt nicht alleinig mir, es gilt uns allen. Nicht gerade wenige Menschen sind hier heute unterwegs. “Nicht niederlassen… Keine Decken.. Allgemeinverfügung… Spazieren und dann auch bitte wieder nach Hause… Nehmen Sie es ernst….Sonst strengere Maßnahmen…” Ich stehe auf, ziehe mir die Laufschuhe wieder an. Langsam. Lehne mich an den Stamm, der Sonne zugewandt und fühle deutlich: Ich will noch nicht gehen. Als der Streifenwagen im Schritttempo fast außer Sicht ist, lasse ich mich wieder nieder. Ich werde noch nicht gehen. Versuche, zurück zum Anfang meiner Meditation zu finden. Aber bin spürbar aktiviert. Diese Momente der Durchsagen. So harmlos sie inhaltlich auch sind, allein der Tonfall triggert mich. Und diese Situationen scheinen manchmal so unwirklich. Da ist es wieder, dieses Gefühl: Passiert all das hier gerade wirklich? Noch hörbar, rufen die mahnenden Worte der Polizei weiter durch den Park. Werden leiser. Bin ich mit meinem stillen Rumsitzen hier heute jetzt illegal? Wie lange wird das gehen? …ein paar Minuten vergehen, ein wenig entspannter schließe ich die Augen erneut. Mit Erleichterung nehme ich es auf, als die beiden Fußball Teenie Mädels auf dem Gras neben mir Musik anmachen und sich deren Klänge mit den Worten meiner Meditations Audio vermischen. Ich höre parallel die Vögel in den Bäumen. Und die Musik. Und es kehrt wieder Frieden ein, im Innen und im Außen. Es ist eine sonniger Samstag. So gewöhnlich wie sonst auch und gleichzeitig so sonderbar wie noch nie zuvor… Ich beschließe, zurück ins Vertrauen zu kehren. Entschlossen. Es ist doch noch so viel an Freiheit da. Atmen. Lauschen. Krächzende Krähen. Klimpernde Hundeleinen. Dumpfe Fußballschüsse. Kinderlachen. Und von innen her höre ich eine aufkommende Traurigkeit. Oder ist es vielmehr Trauer? Meine Reaktion (so erzähle ich mir, aber wer weiß das schon) auf das mich direkt Umgebende plus Mitgefühl zu unserem Weltgeschehen. All dieses Sterben. Nicht nur Menschen, ich denke dabei auch an jene Lieblingscafés, Lieblingsprojekte, Lieblingspläne, die wohl heutzutage kollektiv unzählig losgelassen und ungewollt verabschiedet werden müssen. Begraben werden sie. All das darf – und sollte – verdammt nochmal betrauert werden. Fühlen. Die Sonne warm und ein kühles Lüftchen weht, als ich das rege Parkgeschehen hinter mir lasse, wieder Tempo aufnehme und ich mich joggend auf den Weg nach Hause begebe. Ende Tag 8 & Ende Woche 1 – Die Ausnahmesituation ist für mich rasch zur neuen, vorüber-gehenden Normalität geworden. Trotz allem: Zukunfts-Zuversichtlich.

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