Jedes Jahr reise ich (Künstlermanagerin) im November für 3-4 Monate mit meinem Partner (Künstler) nach Viña del Mar Chile, dort organisieren wir Ausstellungen, verkaufen Kunst, arbeiten kreativ an weiteren Projekten und genießen das LEBEN am Meer.
Am 18.Oktober 2019 beginnen schwere Massenproteste in der Hauptstadt Santiago de Chile, die oft gewaltsam enden, die Stimmung im Land ist angespannt, die Schere zwischen Arm und Reich groß, die Akzeptanz der Bevölkerung dies weiter hinzunehmen klein. Die Proteste halten an - kriminelle Tötungen werden bekannt. Die UN wird aufmerksam. Systematische Menschenrechtsverletzungen. Viele Menschen verlieren ein Auge, werden verletzt. Vergewaltigt. Ermordet.
Ausstellungen werden abgesagt, Kunst gilt mehr denn je als Luxusgut.
25.Dezember 2019: Die Innenstadt Santiagos gleicht der Kulisse eines Endzeitfilms. Zerstörte Gebäude, unkenntliche Metrostationen und geschlossene Geschäfte - Graffitis, die die Wut und den Schmerz der Bevölkerung widerspiegeln. Der Geruch von Tränengas drängt sich mir in die Nase. Ein beklemmendes Gefühl. Nur Zombies fehlen.
Tage später: Die ersten Nachrichten von COVID-19 in Wuhan, China. Chilenische Apotheken verkaufen Schutzmasken mit Cranberryduft.
Es vergehen Januar, Februar, März- die Menschen sind standhaft und überzeugt davon etwas ändern zu wollen. Immer wieder gibt es Demonstrationen. Viele Menschen haben aufgrund der Unruhen ihre Arbeit verloren. Für April ist die Wahl einer neuen Verfassung angekündigt.
Januar 2020 COVID in Europa.
08.März Weltfrauentag - eine halbe Million Frauen demonstrieren in Santiago de Chile. Demonstranten schützen sich mit Gasmasken vor Tränengas.
10 Tage später- Corona ist da. Auf einmal geht alles ganz schnell. Alle Länder, See- und Luftwege nach und aus Chile werden gesperrt. Das Land steht still. Die Proteste auch. Menschen laufen jetzt mit Gasmasken durch den Supermarkt-zum Schutz vor Corona.
In meinem Kopf machen sich Verschwörungstheorien breit. Unser Rückflug wird gecancelt. Die deutsche Botschaft bietet uns einen Rückflug an-wir lehnen dankend ab. Der Blick aufs Meer ist zu schön. 30. März 2020 Deutschland steht still oder doch nicht? Zu weit weg.
Die Energie in Chile jagt durch den ganzen Körper, vibrierend, wie die kleinen Erdbeben, die ich in den letzten Monaten erlebt habe. Vorboten auf die Apokalypse? Aber wo ist Rick Grimes? Und die Zombies? Als Kind hatte ich vor genau solchen Momentan Angst, ein Virus der aus Menschen Untote macht und Aliens die die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Aber aktuell fühlt sich nichts davon bedrohlich an. Corona ist da, aber irgendwie auch nicht und zu Zombies werden die Menschen auch nicht.
Vielleicht macht die Zeit in Quarantäne aus einigen Menschen Zombies, aber gute Zombies die einfach nicht so recht wissen was sie mit so viel Freizeit anfangen sollen. Und Aliens, die die Weltherrschaft wollen? Mal ganz ehrlich die gibt es in der Politik genug.
Alles was ich fühle gleicht eher Alice in Wonderland, nur nicht ganz so bunt und ganz ohne Angst.
Jeder darf jetzt mal in den Kaninchenbau. Was ihr daraus macht ist eure Sache, aber eins ist sicher, so schnell wird die Welt sicher kein zweites Mal stehen bleiben.
Zeit um in sich zu gehen, zu hinterfragen, zu spüren. Ein bisschen träumen vor dem Erwachen.
ODER einfach mal LEBEN.