Offenheit

Die Seele

Die Seele

Ich bin erst vor kurzem nach Lübeck gekommen. Ein Vorstellungsgespräch. Hatte mein ganzes Leben in ein paar Taschen gepackt. Alles, was ich tragen konnte. Ich bin hier ein Ausländer. Die schwüle Sommerhitze schlug mir ins Gesicht, als ich aus dem Hauptbahnhof trat. Es war Hochsaison für Touristen. So kurzfristig konnte ich nur ein Hotelzimmer für eine Nacht bekommen. Aber das macht nichts. Ich werde mich nach dem Vorstellungsgespräch darum kümmern. Ich kam im Hotel an. Habe meinen Anzug angezogen. Habe das Vorstellungsgespräch geführt. (Hörte Wochen später zurück - ich habe den Job nicht bekommen.) Ein Glücksfall. Traf ein älteres Paar. Deutsche. Sie leben schon seit fast dreißig Jahren in Lübeck. Ich erzählte ihnen meine Geschichte. Ich dachte, sie kennen vielleicht Leute, die irgendwo ein Zimmer zu vermieten haben. Sie boten mir ihre Couch an. Sie sagten, ich solle morgen früh meine ganzen Sachen mitbringen. Umarmungen. Eine Verbindung. Sie brachten mich zur Bushaltestelle. Zeigten mir, wo ich Essen bekomme. Wie ich zurück zum Hotel komme. Zwei Wochen später bin ich wieder auf den Beinen. Ich habe Geld angeboten. Sie sagten nein. Sie sagten, es wäre traurig, wenn sie nicht einmal jemandem helfen könnten. Ich hätte sie ausrauben können, schimpften ihre Freunde und Familie. Aber das tat er nicht, antworteten sie. Ihr Leben war beschäftigt. Ich kochte. Fütterte sie. Die Gedenktafel schlug ein. Sie brachte jeden Winkel der Erde zum Schweigen. Städte, die nie schliefen, taten es endlich. Ich habe gearbeitet. Habe ihre Lebensmitteleinkäufe erledigt, wann immer ich konnte. Wir haben jede Tüte, jedes Paket desinfiziert. Ich habe geholfen, ihr Geschäft online zu stellen. Technologie. Ich bin ein Millennial. Habe ihr Geschäft am Leben erhalten. Wir.

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