Glück

“Glück haben” in der DDR

“Glück haben” in der DDR

Eigentlich wollten meine Eltern schon kurz vor Beginn des Mauerbaus in den Westen, dann vielleicht sogar nach Italien, auswandern. Aber mit etwas Überredungskunst meiner Großmutter blieben Sie doch in der DDR. Bekamen später mich. Schon von Kindesbeinen an war ich gut behütet im großelterlichen Garten getobt und nur wenig in Berührung mit den diktatorischen Auswüchsen des ostdeutschen Kommunismuses gekommen. Scheinbar nichts hielt mich davon ab, meinem Traum von einem Lieblingsberuf nachzugehen: ich wollte, seitdem ich 6 Jahre alt war, Lehrerin werden. Die EOS-Oberstufe durfte ich nur besuchen, weil meine Mutter keinen akademischen Hintergrund hatte. Hätte Sie, wie mein Vater studiert, wäre mir diese Chance verwehrt geblieben. Zusätzlich musste ich mindestens einen Notenschnitt von 1,7 vorweisen. Mit 21 und der Liebe in meinem Leben kam rasch auch ein angekündigter Nachwuchs und ich erfuhr - während meines Studiums der Mathematik und Physik -, was es hieß, hochschwanger einfach weiter zu pauken. Damals gab es keinerlei Hilfe von der Universität. Familienfreundliche Hochschule, ein Fremdwort. Ich wollte trotzdem von Herzen beides: eine Familie und endlich vor der Klasse stehen. Zur Geburt im Juli gab es dann 1000 Mark Schenkung vom SED-Staat, die Möglichkeit in einen Neubau einzuziehen sowie einen vom Staat gesicherten Krippenplatz. Auch aus dem Westen gab es ein tolles Geschenkpaket von der, vor dem Mauerbau ausgewanderten, der Familie der Schwester meiner Mutter. Dennoch erlebte ich einiges an Herausforderungen, die mit subtiler Unfreiheit einhergingen: Beförderungen zur regionalen Fachbereichsleitung Mathematik, aufgrund meiner guten Leistung in der Pädagogik, waren nur möglich, wenn ich der SED beitreten würde. Ich lehnte dankend ab. Keine äußeren Anreize bekamen mich in Richtung Partei-Engagement. Zu viel Negatives hatte ich von der Schwiegermutter gehört. Wie 90% der Frauen in der DDR ging ich arbeiten und schmiss gleichzeitig das Familienleben. Eine vom System gewollte Doppelbelastung, die mir zwar ermöglichte, weiter berufliche Selbstwirksamkeit zu erfahren, aber meine Tochter blieb dafür häufiger im Hort oder glücklicherweise bei den Großeltern. Regelmäßig bastelte sie dort fleißig. Unbeeindruckt von der Einfachheit des DDR-Lebens kamen ihr und meinem Vater die kreativsten Bastelideen. So wie das bunte Glücksrad,dass sie eines Tages im Keller zimmerten. Ein liebevoller Ausdruck meiner Mutter- und Lebenserfahrung im diktatorischen Ostdeutschland: einige Dinge schafft man mit familiärer Unterstützung, liebevollem Engagement und ein bisschen Glück!

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