Der Wert, der mir in meiner Kindheit bei Besuchen bei meiner Äpfel schälenden
Lieblings-Oma vermittelt wurde, ist von immaterieller Natur. Die Zeit, die sie
mir gab, die Ruhe, die neuen Eindrücke ... Und doch ist dieses Armband ein einzig(artiges) Erinnerungsstück, das ich neben dem familiären textilen Kulturerbe von ihr habe und das mich mit ihr verbindet und an sie erinnern lässt: Das Armband ist aus Weiß- und Gelbgold, weichem Material, es verbiegt sehr leicht ... Es verkörpert für mich das Leben meiner Oma, das nicht nur weiß und schwarz war. Meine Oma ist Anfang des 20. Jahrhunderts geboren, sie hat zwei Weltkriege in der Blüte ihrer Jahre auf dem Land mit harter Feldarbeit und mit großen Entbehrungen überstanden. Sie baute den Flachs selber an, den sie erntete, hechelte ... und vieles mehr, bis sie das spröde Material zu Garn verspinnen, in Nachtarbeit bei Kerzenschein am großen, raumfüllenden Webstuhl verweben konnte und ihren drei Töchtern dann in Form von Tisch- und Bettwäsche, Weißwäsche mit bestickten Elementen – häufig identitätsstiftenden Monogrammen – als wertvolle Aussteuer veredelte.
Diese Tischdecken habe ich als Enkelin von einer ihrer Töchter übernommen
und sie sind nicht nur schmückendes Beiwerk in meinem Zuhause.
Die unterschiedlichsten textilen Flächen erzählen Geschichten, so wie mir meine Oma in meinen Ferien Geschichten erzählte. Sie wurden zu meinem Familien- und persönlichen kulturellen Gedächtnis, da ich viel später erst die handwerkliche Prägung meiner Oma und auch meiner Mutter zur Profession machte, sie unbewusst weiterentwickelte, und von dem Kulturerbe ganz viel in meinen Beruf und in meine Leidenschaft hineintrage.
Eine Geschichte über Respekt Großmamas Armband→
Viel wichtiger ist aber die Erinnerung an die Zeit, die mir meine Oma in den Ferien gab, die Geschichte(n), die wir zusammen erlebten, die Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die ich von ihr und die sie von mir erfuhr. Ich weiß, wie hart
sich ihr Leben manches Mal angefühlt haben muss, und dennoch kenne ich auch die weiche Seite dieser Generation ...
Das Armband und die von meiner Großmama gefertigten Stoffe sind scheinbar so gegensätzlich und doch nur im Material different: weiße und gelbe (weiße
und schwarze ...) Fäden ineinander verwoben, wenn ein Faden gehoben oder gesenkt wird – beim Webvorgang – im Leben ...
Viel später erst begriff ich, wie prägend dieses Familien-Erbe in der Wertschätzung für mein Leben war – privat und beruflich. Dieser Wert ist von Dauer, er prägt mein Leben – jeden Tag: Ich lächle, wenn ich das Armband an meinem Handgelenk anschaue.