Sommer 1969 – ich war 17 Jahre alt und hatte die Realschule und anschließend ein Jahr Frauenfachschule erfolgreich hinter mich gebracht. Bis zum Beginn meiner vorgesehenen Ausbildung zur Krankengymnastin hatte. ich noch über ein halbes Jahr Zeit, und so ermöglichten mir meine Eltern, einen sechsmonatigen Intensiv-Sprachkurs in England zu absolvieren. Schon die Anreise wurde für mich zum Abenteuer: Die Zugfahrt nach Hoek van Holland, die Nachtfähre nach Harwich, wieder mit dem Zug über London mit seinen vielen Bahnhöfen bis in das Seebad Westgate-on-Sea in der Grafschaft Kent. Dort befand sich die Questeds School mit angeschlossenem Internat. In dieser Einrichtung hatte ich meine erste Begegnung mit der großen weiten Welt: Meine Mitschülerinnen kamen aus vielen Ländern Europas, auch aus Asien und Afrika. Unter ihnen war auch die zwanzigjährige Denise von der Elfenbeinküste, mit der ich ins Gespräch kam. Sie zeigte mir eines Tages eine aus Ebenholz geschnitzte kleine Marienstatue, die mich sehr berührte. Dabei bin ich evangelisch und habe keinen Bezug zur Marienverehrung. Es ist wohl die Tatsache, dass ich das erste Mal Ebenholz, das ich nur als Begriff aus dem Märchen kannte, in der Hand hielt, und vor allem, dass die Maria schwarz ist – wie ihre Besitzerin. Alle Abbildungen der Muttergottes, die ich bis dahin gesehen hatte, stellten eine weiße Frau dar. Denise spürte meine Faszination und bot mir sofort an, die Figur zu schenken. Das konnte ich nicht annehmen, doch schließlich wurden wir uns über einen Kauf einig. Fast 50 Jahre sind seither vergangen. Ich habe inzwischen einiges mehr von der Welt gesehen, verschiedene Berufe ausgeübt und bin einige Male umgezogen. Geblieben ist meine Liebe zu England, zu seinen höflichen und hilfsbereiten Eine Geschichte über Freundschaft Menschen und zu der kulturellen Vielfalt, die ich dort kennenlernte. Was aus Denise und meinen anderen Mitschülerinnen von damals geworden ist, weiß ich nicht. Im Alltag ging der Vorsatz, brieflich in Kontakt zu bleiben, irgendwann verloren. Aber über meine kleine schwarze Maria, die seit dieser Zeit immer sichtbar und greifbar in meinem Wohnzimmer steht, fühle ich mich mit ihnen verbunden. // ENG Sommer 1969 – ich war 17 Jahre alt und hatte die Realschule und anschließend ein Jahr Frauenfachschule erfolgreich hinter mich gebracht. Bis zum Beginn meiner vorgesehenen Ausbildung zur Krankengymnastin hatte. ich noch über ein halbes Jahr Zeit, und so ermöglichten mir meine Eltern, einen sechsmonatigen Intensiv-Sprachkurs in England zu absolvieren. Schon die Anreise wurde für mich zum Abenteuer: Die Zugfahrt nach Hoek van Holland, die Nachtfähre nach Harwich, wieder mit dem Zug über London mit seinen vielen Bahnhöfen bis in das Seebad Westgate-on-Sea in der Grafschaft Kent. Dort befand sich die Questeds School mit angeschlossenem Internat. In dieser Einrichtung hatte ich meine erste Begegnung mit der großen weiten Welt: Meine Mitschülerinnen kamen aus vielen Ländern Europas, auch aus Asien und Afrika. Unter ihnen war auch die zwanzigjährige Denise von der Elfenbeinküste, mit der ich ins Gespräch kam. Sie zeigte mir eines Tages eine aus Ebenholz geschnitzte kleine Marienstatue, die mich sehr berührte. Dabei bin ich evangelisch und habe keinen Bezug zur Marienverehrung. Es ist wohl die Tatsache, dass ich das erste Mal Ebenholz, das ich nur als Begriff aus dem Märchen kannte, in der Hand hielt, und vor allem, dass die Maria schwarz ist – wie ihre Besitzerin. Alle Abbildungen der Muttergottes, die ich bis dahin gesehen hatte, stellten eine weiße Frau dar. Denise spürte meine Faszination und bot mir sofort an, die Figur zu schenken. Das konnte ich nicht annehmen, doch schließlich wurden wir uns über einen Kauf einig. Fast 50 Jahre sind seither vergangen. Ich habe inzwischen einiges mehr von der Welt gesehen, verschiedene Berufe ausgeübt und bin einige Male umgezogen. Geblieben ist meine Liebe zu England, zu seinen höflichen und hilfsbereiten Eine Geschichte über Freundschaft Menschen und zu der kulturellen Vielfalt, die ich dort kennenlernte. Was aus Denise und meinen anderen Mitschülerinnen von damals geworden ist, weiß ich nicht. Im Alltag ging der Vorsatz, brieflich in Kontakt zu bleiben, irgendwann verloren. Aber über meine kleine schwarze Maria, die seit dieser Zeit immer sichtbar und greifbar in meinem Wohnzimmer steht, fühle ich mich mit ihnen verbunden.