Freundschaft

Mein Benzinkanister

Mein Benzinkanister

Mein Benzinkanister sieht aus wie jeder andere auch. Nur, dass sein Inneres noch nie Benzin gesehen hat. Vor sehr langer Zeit, ich war noch jung und der Alkohol, den ich mir leisten konnte, schmeckte meistens nicht besonders, beschloss ich, einen Cocktail zu kredenzen, der eben diesen Alkohol
geschmacklich erträglich, idealerweise sogar vergnüglich genießbar machen sollte. So ergab es sich, dass ich nach vielen verdrießlichen Versuchen schließlich die Rezeptur meines „Mäx-Special“ perfektioniert hatte - Ok, vielleicht nicht perfektioniert, aber immerhin wiederholbar und genießbar.
Die Rezeptur war, aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen, auf 5 Liter angelegt: Eine Flasche hier von, eine Flasche von jenem, eine halbe Flasche von diesem Tropfen. Als Behältnis war schnell der ordinäre und an jeder Tankstelle erhältliche 5-Liter-Reservekanister auserwählt. Die Frage, ob das Plastik eines solchen Behälters denn auch den Anforderungen des Lebensmittelgesetzes gerecht würde, stellte sich damals nicht. Was für Benzin gut ist, kann für
einen hochprozentigen Cocktail nicht verkehrt sein. Damit war das Party-Getränk - für mich - perfekt!
Fiete’s Fünfzigster
Es war so zu der Zeit, als wir Anfang 20 waren. Die einen oder anderen Eltern unserer Freunde begannen uns zu erlauben, sie zu duzen und es war eine Zeit, in der man langsam auf Augenhöhe mit den Erwachsenen kam. Der Vater meines Freundes Pete, Fritz, genannt „Fiete“, war einer dieser Erwachsenen. Ich mochte Fiete sehr. Und ich glaube er mich und die anderen Freunde
seines Sohnes auch. Auf jeden Fall genug, um mich zu seinem 50sten Geburtstag einzuladen. Die Feier fand im Restaurant eines Landhauses statt.
Ich kannte schon ein paar Familienmitglieder meines Freundes Pete und wusste, dass es ein lustiger Abend werden würde. Leider konnte ich aufgrund eines Eishockeyspiels (ich spielte damals recht erfolgreich) erst später dazu kommen. Ich wusste nicht genau, was man einem 50- Jährigem schenken kann. Ich war spät dran und hatte den „Geistesblitz“, dass ich noch genügend
„Reste“ vom letzten Wochenende hätte, um einen frischen Kanister Mäx-Special anzurühren. Ich hatte Fiete bei einer anderen Gelegenheit - Holzbüttgener Schützenfest, um genau zu sein - schon recht begeistert unsere To-go-Cocktails mit den hauseigenen Eiswürfeln runterkühlen sehen, und hoffte, dass ich ihm mit meinem Mitbringsel eine kleine Freude machen könnte.
Es gab nur ein Problem: Die Getränke in dem Restaurant waren nach Verbrauch zu bezahlen.
Daher war es natürlich nicht gestattet, eigene Getränke mitzubringen. Da Pete und ich allerdings motiviert waren, wurden kurzerhand ein paar Pilzgläser auf der Herrentoilette gespült und mein Benzinkanister dazu geschmuggelt. Alles schien gut zu laufen. Fiete, Pete und ich genossen den Drink und die Herrentoilette war uns recht egal. Was wir zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht
absehen konnten war, dass die Herrschaften, die zur Verrichtung ihrer Geschäfte zu uns stießen (allesamt Gäste von Fiete), die Herrentoilette nur wieder verließen, um sich auch ein Glas für den Cocktail zu besorgen! Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, dass noch nie so viele
Menschen, Männer wie Frauen, wie sich herausstellte, gleichzeitig auf dieser Toilette waren, um
sich vergnüglich und angeregt bei einem Cocktail aus einem Benzinkanister zu amüsieren.
Ich erfuhr später, dass ein Onkel von Pete bei dem Versuch, zu Fuß nach Hause zu laufen, kläglich
in einem Vorgarten gescheitert sei.
Wochen später auf der Neusser Kirmes schlug mir Petes Opa Karl-Heinz freundschaftlich auf die
Schulter und fragte: „Na? Hasse dat Teufelszeusch wieder dabei!?“
Apropos Kirmes.
Da gab es noch Pete’s Junggesellenabschied. Natürlich hatte ich meinen Benzinkanister geladen
und entsichert mitgebracht. Als es daran ging, die erste Runde zu trinken, stellte sich unser
Freund Thiemo quer. „Ich trinke das Zeug nicht!“. Die Verwirrung war groß. Mir war nicht bewusst,
dass er so eine Abneigung hatte. Auf nachfragen offenbarte er eine alte Geschichte, die ich so gar
nicht mehr in Erinnerung hatte:
„Du erinnerst dich doch noch an letzte Neusser Kirmes? Ich kann dir ja mal erzählen, wie mein
Abend gelaufen ist:
Zack! Wir laufen die Hammer Landstraße zwischen den ganzen Buden entlang und trinken Mäx-
Special.
Zack! Wir fahren mit dem Riesenrad und trinken Mäx-Special.
Zack! Wir sind vor dem Frankenheim Zelt und saufen Mäx-Special.
Zack! Ich kotze mir zwischen die Beine.
Zack! Ich bin zu Hause und versuche, mit einem 5-Euro-Schein meine Tür aufzuschließen.
Ich trink’ das Zeug nicht mehr!!!“
Hat er doch.
Eigentlich reden wir hier nur von einem Benzinkanister. Ich verbinde damit allerdings einiges mehr,
nämlich Freundschaft. Freundschaften definieren sich über das, was man gemeinsam erlebt und
die Geschichten, die man sich noch nach Jahren erzählen kann. Die Benzinkanister-Geschichten
tauchen auch nach 20 Jahren immer mal wieder auf. Und das macht mich schon recht stolz auf
meinen Benzinkanister.

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Freundschaftsarmband
Marienfigur