Freiheit

Wächter der Freiheit

Wächter der Freiheit

"Warum wurde die Mauer überhaupt gebaut?", wollte ich von meinem Opa wissen. Er sagte: "Es ging dabei wie so oft um Macht. Und Freiheit." Gut, dass "Nazi-Deutschland" 1945 besiegt wurde und dass der Krieg aufhörte. Aber wie sollte es weitergehen? Die Länder, die den Krieg gewonnen hatten, mussten sich einigen. Wäre es auch anders möglich gewesen? Ohne Deutschland und Berlin aufzuteilen? Ich bin nicht sicher. Die USA, Großbritannien und Frankreich hatten ähnliche Vorstellungen und kümmerten sich um die Bundesrepublik Deutschland. Die Sowjetunion bekam die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Das Leben in den beiden deutschen Teilen war sehr unterschiedlich: Den Menschen im Westen ging es schneller wieder besser, sie bekamen viel Hilfe. In den Supermärkten und Geschäften gab es wieder fast alles zu kaufen, in der DDR nicht. Die DDR-Regierung war sehr streng. Die Menschen durften z. B. nicht sagen, wenn sie mit etwas nicht einverstanden waren. Taten sie es, konnten sie deswegen ins Gefängnis kommen. Viele wollten deshalb lieber im Westen leben und arbeiten. Das wollte die Regierung der DDR verhindern und baute 1963 die Mauer. "Konnte man nicht einfach über die Mauer klettern?", fragte ich meinen Opa. "Nein", sagte er, "sie war leider zu hoch, und es gab viele Wachen." Hunde wurden auch als Wachen dort eingesetzt. Sie bekamen nur alle zwei Tage etwas zu essen und waren an einem Stahlseil angekettet. Wie traurig muss das Leben für sie gewesen sein! Die Hunde konnten sich nur höchstens 200 Meter hin und her bewegen. Die Grenze war lang. Es wurden viele Hunde benötigt. Über 4000 Hunde! Hauptsächlich Deutsche Schäferhunde, die Lieblingshunde meiner Mama. Als sie sechs Jahre alt war, bauten meine Oma und mein Opa ein Haus auf dem Grundstück meines Urgroßvaters. Es lag direkt an der Mauer und sie konnten die Hunde nachts oft bellen hören. Sie sollten Menschen aufspüren, die versuchen könnten, die Mauer zu überwinden. Allein dadurch, dass es sie gab, sollten sie abschrecken. Wie kann das sein? Hunde sind von Natur aus friedfertig und freundlich! Sie freuen sich immer, wenn sie Menschen sehen, egal ob sie die Person kennen oder nicht, egal woher der Mensch kommt. Wir sollten uns an allen Hunden ein Beispiel nehmen. Und sie auf gar keinen Fall dazu zwingen, Menschen zu jagen, die frei sein wollen. Haben die angeketteten Hunde die eingesperrten Menschen gerne bewacht? Ganz sicher nicht! Sie haben ja selbst erfahren, wie einsam und trostlos das Leben am Mauerstreifen war. Kein Wunder, dass der Bereich "Todeszone" genannt wurde. Bei der Suche nach den Mauerstücken, die mein Opa als Erinnerung an den Mauerfall aufbewahrt hat, habe ich ein Foto von Bessy gefunden. Meine Mama hat sich schon immer sehnlichst einen Schäferhund gewünscht. Als sie so alt war wie ich jetzt, wurde ihr Traum wahr. Das war kurz vor dem Mauerfall, bei dem die Träume vieler Menschen in Ost und West in Erfüllung gingen. Auf dem Foto sieht man Bessy, wie sie die Mauerreste auf dem Grenzstreifen bewacht. Wie ein lebendes Mahnmal sitzt sie dort. Ich finde, sie sagt uns mit ihren ausdrucksvollen Augen: "So etwas darf nie wieder geschehen, dafür werde ich sorgen!" Wir alle sollten Wächter der Freiheit sein. Sie wertschätzen und bewahren. Jeder Hund kann dabei ein Lehrer für uns sein.

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Geschichte einer Flucht
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