Jennifer Wilton: Ein Dialog über Freiheit, Angst und die Macht des Journalismus
Was bedeutet es, wirklich frei zu sein? Im Dialog des Museums für Werte gibt Jennifer Wilton, Chefredakteurin der Welt, tiefgehende und überraschende Antworten. Es ist ein Gespräch, das von ihrer Kindheit zwischen den Kulturen über die Verantwortung der Pressefreiheit bis hin zum ganz persönlichen Umgang mit Angst reicht. Eine Reise zu den Kernfragen unserer Zeit.
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Zwischen den Kulturen: Die Wurzeln der Freiheit
Jennifer Wiltons Verständnis von Freiheit wurde früh geprägt. Als Tochter eines neuseeländischen Vaters war das Leben zwischen verschiedenen Kulturen für sie eine Selbstverständlichkeit. "Für mich ist es quasi qua Geburt selbstverständlich, zwischen Kulturen zu leben", erzählt sie. Diese Erfahrung schuf eine grundlegende Offenheit und die Fähigkeit, die Welt aus mehr als nur einer Perspektive zu betrachten – ein Fundament ihrer heutigen Arbeit.
Journalismus als gelebte Freiheit
Der Weg in den Journalismus war für sie keine Frage, sondern eine Berufung. "Für mich war das halt schon immer das, was ich machen wollte, unbedingt", beschreibt sie ihre Entschlossenheit. Bei der Zeitung Die Welt fand sie ein Umfeld, das diese Leidenschaft beflügelte und ihr eine besondere Form der kreativen Freiheit bot.
Die Freiheit der weißen Seite
Sie erinnert sich an eine Kultur des Ermöglichens: "Man konnte irrsinnig viel machen [...] du hattest eine Idee und hast gesagt, hey, ich will das und das machen. Und die so, ja klar, mach mal." Diese Freiheit, Ideen zu verfolgen und umzusetzen, ist der Motor für innovativen Journalismus.
Der Balanceakt: Pressefreiheit und Verantwortung
Als Chefredakteurin bewegt sich Jennifer Wilton heute in einem permanenten Spannungsfeld. Sie muss die Balance zwischen konservativen und liberalen Werten halten und die Grenzen der Meinungsfreiheit täglich neu ausloten. Ihre Position beschreibt sie als die der Mitte, von wo aus sie versucht, möglichst vielen verschiedenen Stimmen Gehör zu verschaffen.
Ein neuer Umgang mit Angst
Ein zentraler Aspekt ihrer Führungsrolle und ihres persönlichen Freiheitsverständnisses ist der Umgang mit Angst. Sie plädiert für eine Neubewertung dieses oft negativ besetzten Gefühls: "Ich glaube eigentlich, dass wir einen total falschen Umgang mit Angst generell haben. [...] Angst ist ein total okayes Gefühl." Es ist nicht die Angst selbst, die uns lähmt, sondern unser erlerntes, oft panisches Reagieren darauf.
Ein Stück Mauer: Wenn Freiheit greifbar wird
Ein von ihr zum Gespräch mitgebrachtes Stück der Berliner Mauer dient als kraftvolles Symbol. Die Erinnerung an den Mauerfall, den sie als 12-Jährige erlebte, ist für sie tief emotional. "Als ich aufgestanden bin [...] saß meine Mutter so halb weinend vorm Fernseher." Dieses greifbare Stück Geschichte steht für sie nicht nur für einen der größten Freiheitsmomente, sondern auch für die Zerbrechlichkeit dieser Freiheit.
Fazit: Der Mut zur persönlichen Freiheit
Im Laufe des Gesprächs wird klar: Für Jennifer Wilton ist Freiheit sowohl etwas Zartes, das geschützt werden muss, als auch etwas Starkes, das aus innerem Wachstum entsteht. Sie hat gelernt, dass ein produktiver Umgang mit Angst und die Bereitschaft zur Verletzlichkeit entscheidend sind, um echte Freiheit zu erlangen. Durch die Balance verschiedener Perspektiven und die Übernahme von journalistischer Verantwortung lebt sie eine Freiheit, die nicht nur ihr selbst dient, sondern einen gesellschaftlichen Dialog ermöglicht.
Sie selbst fühlt sich heute, wie sie sagt, "persönlich extrem frei". Ihre Haltung zeigt, dass man aus dieser inneren Stärke heraus als Mensch am besten agieren kann.
"Selbst zu entscheiden, wo man die Grenzen setzt, ist natürlich auch eine Form der Freiheit." - Jennifer Wilton