"Was passiert, wenn (Kommunikations-)Wege plötzlich abreißen?", fragte ich meine Oma. Sie hat genau das erlebt, als am Sonntag, den 13. August 1961, Polizisten und Soldaten die sogenannte "Sektorengrenze" nach West-Berlin abriegelten. Sie war gerade 13 Jahre alt geworden, ein Jahr jünger als ich es jetzt bin. Von einem Tag auf den anderen hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihrer besten Freundin. Wie furchtbar und unvorstellbar. Meine Oma und ihre Freundin hatten in Pankow immer Friseur gespielt und nun sollte das nicht mehr möglich sein? Warum? Meine Oma konnte nicht verstehen, was damals passierte. Ich kann es nicht verstehen. Genau wie meine Oma es getan hat, hätte ich versucht, meiner besten Freundin zu schreiben. Ich hätte versucht, ihr Mut zuzusprechen und ihr gesagt, dass irgendwann alles gut wird. Dass ich fest daran glaube, dass wir uns wiedersehen und dass die Menschen begreifen, was sie da Schreckliches und Unsinniges tun. Meine Oma hat auf ihre Briefe leider keine Antwort bekommen. Nach dem Mauerbau waren Ost- und West-Berliner 28 Monate lang ohne persönlichen Kontakt. Danach durften ab dem Jahreswechsel 1963 West-Berliner in seltenen „dringenden Familienangelegenheiten“ mit einem "Passierschein" nach Ost-Berlin einreisen. Seine beste Freundin wiedersehen zu wollen war nach Ansicht der Grenzpolizisten leider offenbar keine dringende Angelegenheit. Es sollten nochmal weitere 9 Jahre vergehen, bis 1972 das "Viermächteabkommen" geschlossen wurde. Ab dann durften West-Berliner mit „Berechtigungsschein" und "Visum" Ost-Berlin und die DDR besuchen. Zu der Zeit war meine Oma schon erwachsen. Sie musste, wollte sie in die DDR einreisen, einen bestimmten Betrag umtauschen und dort ausgeben. Mit zurücknehmen durfte man das Geld nicht. Das sollte zum "Wohl der DDR Bürger" sein. Wie kann so etwas zum Wohl der Menschen sein, wenn ihre Freunde und Verwandten aus dem Westen gewungen waren, ihnen das Wenige, was sie besaßen, wegzukaufen? Meine Oma erinnert sich, wie unwohl sie sich gefühlt hat als sie am Roten Rathaus in einem Restaurant überall an leeren Tischen vorbeigeführt würde. Sie wurde königlich bewirtet, während die Menschen aus Ost-Berlin draußen vergeblich Schlange standen und ihnen gesagt wurde, es sei kein Tisch frei. Das Essen hat ihr verständlicherweise unter solchen Umständen nicht geschmeckt. Ich danke dir, dass du mir diese Geschichte erzählt hast, Oma. Ich kann mir kaum vorstellen, wie schwer es für dich gewesen sein muss, deine beste Freundin so lange nicht zu sehen. Ich bin froh, dass ihr euch nach dem Mauerfall wiedergefunden habt.