Nach meinem Eintritt in den Ruhestand fuhr ich 2013 zum ersten Mal mit einer
Vertriebenenorganisation in die Heimat meiner bereits verstorbenen Eltern,
ins östliche Sudetenland. Nach der Zwangsenteignung der Bauernhöfe 1945
zwang man die Deutschen1946 zur Ausreise. Der Vater meiner Mutter starb
1946 an den Misshandlungen der Tschechen. Als Vertriebene begannen
meine Eltern ein schwieriges Leben im Westen. Auch ein Besuch im Heimatdorf
meiner Eltern stand auf dem Programm der Reise, unter Führung eines über
80-jährigen Vertriebenen, der dort seine Kindheit und Jugend verbrachte,
und eines Deutsch sprechenden Tschechen.
Als wir vor dem Hof der Familie meiner Mutter standen, mussten wir
feststellen, dass er leergeräumt und unbewohnt war, und zum Verkauf stand.
Plötzlich kam eine Frau aus dem Wohnhaus. Sie war die Tochter des
Tschechen, der 1945 den Hof übernommen hatte. Sie war zufällig im Haus.
Mithilfe des Dolmetschers führte ich ein äußerst interessantes Gespräch mit
ihr. Dabei erzählte sie mir Geschichten, die ich von meiner Mutter her kannte.
Vor der Verabschiedung ging sie kurz ins Haus und kam mit dem 1933
gemalten Bild meines Großvaters zurück, das sie mir schenkte.
Schwer nachzuvollziehen ist die Tatsache, dass die tschechische Familie dieses,
für sie wohl unbedeutende Bild, über 60 Jahre lang aufbewahrt und auch bei
der Leerräumung des Hofes nicht vernichtet hat.
Für mich stellt dieses Bild meines Großvaters auch eine Verbundenheit und
Respekt unter Menschen dar, über nationale Grenzen hinweg und trotz
erbitterter kriegerischer Auseinandersetzungen ihrer Staaten.
Das Bild hängt seitdem in meinem Arbeitszimmer.