Lebensfreude

Kopflampe

Kopflampe

Diese Kopflampe weckt in mir, immer wenn ich sie sehe, den Drang nach Abenteuer und den Wunsch auszubrechen. Ich habe sie 2015 bei meiner Reise in den Nordindischen Himalaya getragen. Eine spezifische Situation werde ich dabei nie vergessen und sie ist für mich bezeichnend für die Reise, die ich damals unternommen habe.
Es war unser zweiter Aufstieg, ein Trek bis auf 3800m. Wir schleppten unsere Körper insgesamt sieben Stunden durch dschungelartiges Unterholz, steinige Hänge, saftige, von wilden Rindern bewohnte Wiesen und schließlich den karg bewachsenen Gipfel "Bashal Peak" hinauf. Eine mentale und physische Herausforderung, wie ich sie selten zuvor in meinem Leben, erfahren durfte. Als wir oben ankamen, war einfach keine Luft mehr für Worte übrig. Wir setzten uns hin und schauten in die kilometerweite Ferne. So einen Ausblick hatte ich noch nie zuvor gesehen. Dann ruhten wir uns einen Moment lang aus. Doch dieser Moment dauerte länger, als wir ihn empfanden und so brachen wir erst nach knapp einer Stunde auf, um den Abstieg anzutreten. Ein paar Schritte hangabwärts, zurück in der Dichte der Vegetation, brach die Dunkelheit, wie eine Decke über unsere Köpfe hinein. Sofort kühlte auch die Luft rapide ab und die Körperwärme, die eben noch den Schweiß auf unserer Haut in Dampf aufsteigen ließ, kämpfte nun gegen den eisigen Wind an. Einige Minuten brauchten unsere Augen, um sich halbwegs an die neue Umgebung zu gewöhnen. Aber ungewisse Schritte waren in dieser Höhe einfach zu riskant und auch wenn es fast schon Spaß machte, sonst eher unterforderte Sinne zu schulen, war dies der richtige Zeitpunkt für die Lampe. Perfekte Sicht, immer im Blickfeld! Allerdings waren wir zu viert und ich der Einzige mit Licht, das aus dem Kopf schien. Die Anderen hatten noch eine kleine LED Taschenlampe, die bald ihren Geist aufgab und ein Handylicht dabei. Also lief ich ganz hinten, um allen vor mir mitzuleuchten. In gebührendem Abstand allerdings, denn losgetretenes Geröll und Steine, wurden an Hängen schnell zu gefährlichen Geschossen. Eigentlich hätte unser Abstieg knapp eineinhalb Stunden dauern sollen, doch bald stellten wir fest, dass wir eine falsche Route eingeschlagen hatten. Zurückzugehen wäre
zu gefährlich gewesen, da wir uns noch weiter hätten verlaufen können und etwa die Hälfte unseres Weges bereits hinter uns hatten. Dachten wir zumindest. Das Terrain wurde jedoch immer unpässlicher und irgendwann glich der Abstieg eher einem Akrobatikparcours, als einer Trekkingtour. Tatsächlich war unsere Situation lebensbedrohlich, denn direkt neben unseren Füßen, ging es teilweise mehrere Zehnmeter bergab, während wir uns an dünnen Baumstämmen und Wurzeln festhielten, um nicht herunterzufallen. Und irgendwann kam der Punkt, an dem es auch keine Option mehr gab, zurück nach oben zu klettern, denn oben war plötzlich unerreichbar. Nach unten war der einzige "Weg" und so rutschten wir mehrere Meter hohe Felsspalten hinab und warnten uns nur noch mit Rufen, vor herunterfallenden Steinen, denn sehen konnten wir uns über Distanz, durch das Dickicht, auch nicht mehr. Nach viereinhalb Stunden, kamen wir schließlich endlich wieder heil unten an. Meine Beine zitterten, denn mein Körper hatte in den letzten Stunden alle Kräfte mobilisiert, um keine Erschöpfung aufkommen zu lassen. Es gab Momente, in denen unsere Lage prekär gewesen war. Ein plötzlicher Regenschauer hätte uns z.B. wirklich ernsthafte Probleme bereitet und vielleicht zu einem anderen Ausgang geführt. Doch zu keiner Zeit hatte ich Angst. Eigentlich war ich in jedem Moment positiv angespannt und freute mich sogar über unser spontanes Abenteuer. Ich hatte auch stets vollstes Vertrauen zu unserem Guide, denn er kannte die Berge bereits sein ganzes Leben und war stets ruhig und gefasst. Er wusste, dass wir heil wieder runter kommen würden, die Frage war nur wann und wie.

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